• Beitrags-Kategorie:Astronomie / Physik
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In diesem Tutorium wird das Prinzip der Temperaturmessung astronomischer Objekte beschrieben. Die zugrunde liegenden physikalischen Gesetze (kinetische Gastheorie, Planck’che Wärmestrahlung) werden kurz erläutert und ihre Anwendung bei der Messung der Temperatur von Sternen und anderen Objekten im Universum behandelt.

Was ist Temperatur?

Wenn über irgendeinen Prozess Energie in ein Gas gepumpt und seine Temperatur erhöht wird, vergrößert sich die mittlere Geschwindigkeit der Gasteilchen. Denn sie müssen aufgrund des Energieerhaltungssatzes ihre kinetische Energie erhöhen. Die Konsequenz: Je höher die Temperatur, desto größer ist die mittlere Geschwindigkeit der Gasteilchen! Wohlgemerkt: die mittlere Geschwindigkeit! Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass die individuellen Teilchen sowohl schneller als auch langsamer sein können und dass sie permanent durch Stöße ihre Geschwingigkeit und Richtung ändern. Geschwindigkeiten, die sehr weit von Mittel entfernt sind, kommen allerdings recht selten vor.

Im Video 1 wird gezeigt, wie sich Druck und Temperatur auf die ungerichtete Bewegung der Gasteilchen auswirken. Eine kleine Anmerkung: die Temperatur des Gases wird bei Druckerhöhung größer (die Teilchen werden schneller), weil während der Kompression Bewegungsenergie der Wand auf die Gasteilchen übertragen wird (so wie ein Tennisball durch den Schlag des Tennisschlägers schneller wird).

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Übrigens:

  • Die Ergebnisse der kinetischen Gastheorie wurden vielfach durch Experimente bestätigt.
  • Ist der ungeordneten Bewegung der Gasteilchen eine Vorzugsrichtung überlagert, so nennt man das „Wind“…

Video 1:
Einfluss der Temperatur eines Gases auf die Geschwindigkeit der Gasteilchen (
Quelle: Youtube)

Abbildung 1 zeigt die Geschwindigkeitsverteilung der Teilchen eines Gases bei unterschiedlichen Temperaturen. Je heißer das Gas desto mehr verschiebt sich der „Berg“ in Richtung höherer Geschwindigkeiten.

Maxwell'sche Geschwindigkeitsverteilung
Abbildung 1: Geschwindigkeitsverteilung der Teilchen eines Gases bei unterschiedlichen Temperaturen Quelle: Wikipedia; Maxwell-Boltzmann-Verteilung

Wie entsteht Licht?

Als nächstes müssen wir uns dem Zusammenhang zwischen elektrischem Strom und Magnetfeldern zuwenden. „Elektrischer Strom“ bedeutet, dass sich elektrisch geladene Teilchen gemeinsam in eine Richtung bewegen. Fließt ein elektrischer Strom durch einen Leiter (z.B. Kupferdraht), bildet sich um ihn herum ein Magnetfeld. Ändert sich die Stärke des elektrischen Stroms (also der Geschwindigkeit der Ladungen im Leiter), ändert sich auch die Stärke des Magnetfeldes. Das Ganze heißt „Gesetz von Oersted“ nach seinem Entdecker, dem dänischen Forscher Hans-Christian Oersted (1777-1851).

Hier seht ihr ein Porträt von ihm. Mehr Informationen zum Oersted-Gesetz gibt es im Video 2.

Video 2:
Geschwindigkeitsverteilung der Teilchen eines Gases bei unterschiedlichen Temperaturen (Quelle: Youtube)

Es geht aber auch anders herum: ein Magnetfeld, dessen Stärke sich ändert, erzeugt eine Spannungsdifferenz in seiner Umgebung und damit einen elektrischen Strom in einem von ihm durchdrungenen Leiter (Induktionsgesetz). Beide Erscheinungen werden zum Beispiel in Transformatoren ausgenutzt und haben eine zentrale Bedeutung für unsere Stromversorgung. Nähere Erläuterungen zum Induktionsgesetz im Video  3.

Video 3:
Erzeugung einer Spannung durch Magnetfeldänderung (
Quelle: Youtube)

Was hat das Ganze mit Temperaturmessung zu tun?

Für die Induktion einer Spannung durch ein veränderliches Magnetfeld ist es unerheblich, ob überhaupt ein Draht vorhanden ist. Eine Spannung (ein elektrisches Feld) wird immer induziert; ein Strom kommt allerdings nur zustande, wenn sich in der Reichweite des Magnetfeldes bewegliche elektrische Ladungen befinden. Durch die Wechselwirkung von Magnetfeldern und elektrischen Feldern können elektromagnetische Wellen entstehen. Je schneller sich die Magnetfelder ändern, desto höher ist die Frequenz dieser Wellen. Sichtbares Licht, Radiowellen, Ultraviolett-, Infrarot- und Röntgenstrahlung: all diese Strahlungsarten sind elektromagnetische Wellen, die sich nur durch Ihre Frequenz bzw. Wellenlänge unterscheiden.

Jetzt haben wir alles zusammen, um zu verstehen, wie die Temperatur auf fernen Sternen gemessen werden kann.

  • Sternatmosphären befinden sich im Plasmazustand: durch die hohe Temperatur haben viele Atome einen Teil ihrer Elektronen abgegeben, so dass es jede Menge freie negativ geladene Elektronen und positiv geladene Atomrümpfe gibt.
  • Ihre Geschwindigkeitsverteilung gehorcht den Gesetzmäßigkeiten der kinetischen Gastheorie: je höher die Temperatur, desto eher haben die Gasteilchen hohe Geschwindigkeiten, also hohe kinetische Energien.
  • Bei Stößen und durch die Abstoßung und Anziehung der geladenen Teilchen untereinander werden Ladungen mal mehr, mal weniger beschleunigt und abgebremst. Dadurch entstehen veränderliche Magnetfelder, die wiederum Ladungen beschleunigen… . Also ein großes Tohuwabohu, durch das elektromagnetische Wellen aller Art erzeugt werden.
  • Je höher die Geschwindigkeit der Ladungen, desto stärker ist die Beschleunigung bzw. Abbremsung und desto größer ist die Frequenz der entstehenden Wellen. So kommt es zu einem Intensitätsspektrum (Intensität aufgetragen gegen die Frequenz – sprich: Energie – der Strahlung), dessen Form übrigens Ähnlichkeit mit der Geschwindigkeitsverteilung hat.

Erhöhte Temperatur heißt also Verschiebung der Geschwindigkeitsverteilung nach höheren Geschwindigkeiten und führt so zu einer Verschiebung des Strahlungsspektrums hin zu höheren Frequenzen. Insbesondere steigt die Frequenz des Intensitätsmaximums mit der Temperatur. Über einen Vergleich des gemessenen Sternspektrums mit Vergleichsspektren, die auf der Erde ermittelt wurden, kann so die Oberflächentemperatur von Sternen aus dem Sternenlicht bestimmt werden. Eine gute Übereinstimmung des Sternspektrums mit einem gemessenen oder errechneten Vergleichsspektrum ermöglicht auch die Erkennung von störenden Einflüssen (z.B. Licht absorbierende Staubschichten in der Sichtlinie zum Stern, nicht-thermische Turbulenzen in der Sternatmosphäre etc.).

Planck-Spektrum
Abbildung 3: Frequenzspektrum in Abhängigkeit von der Temperatur Quelle: Science Education through Earth Observation for High Schools (SEOS)

Ein paar Schlussbemerkungen

Das Ganze funktioniert übrigens auch für feste oder flüssige Materie, da Atome und Moleküle selbst bei niedrigen Temperaturen in Bewegung sind. In Festkörpern führen die Atome zum Beispiel Schwingungen aus, wodurch es ebenfalls zu Beschleunigungen der Elektronen und Atomrümpfe und so zur Aussendung elektromagnetischer Wellen kommt. Auf diesen Prozessen beruhen zum Beispiel Wärmebildkameras. Der ganze Unterschied zur Sternmessung besteht darin, dass die hohen Sterntemperaturen Licht im sichtbaren Bereich produzieren und die viel kälteren Häuser oder Tiere längerwelliges Infrarotlicht. Somit kann man auch die Temperatur kalter Objekte im Universum wie z.B. Kometen, Asteroide oder Planeten messen.

Noch eine Anmerkung für „Besserwisser“: Im Wirklichkeit sind die hier beschriebenen Prozesse deutlich komplizierter. Beispiele:

  • Energie kann nicht nur als kinetische, sondern auch als Schwingungs- oder Rotationsenergie von Gasteilchen aufgenommen werden.
  • Das beschriebene Planck’sche Strahlungsspektrum gilt nur für sog. Schwarze Strahler (für viele astronomische Objekte ist diese Voraussetzung allerdings gut erfüllt).

Sternspektren zeigen auf dem beschriebenen „Intensitätsberg“ noch spezielle Linien, die für die chemische Zusammensetzung der Sternatmosphäre charakteristisch sind und die viele weitere Informationen über den Zustand der Atmosphäre liefern können (z.B. wird die Linienbreite durch die Gasdichte und auch die Temperatur beeinflusst). Diese Linien können nur mit Hilfe der Quantenmechanik erklärt werden

Zum Schluss ein Trost bei so viel Komplexität: nur weil so viele Prozesse die Eigenschaften des Sternenlichts beeinflussen, haben wir die Chance, über Beobachtungen die Eigenschaften astronomischer Objekte näher kennen zu lernen.

Zusammenfasung

Die Temperatur eines astronomischen Objekts ist über seine elektromagnetische Strahlung (Licht) messbar:

  1. Bei Stößen der Gasteilchen (Atome, Moleküle) untereinander wird elektromagnetische Strahlung frei; ihre Frequenz – und damit Energie – ist umso höher, je schneller die Teilchen unterwegs sind.
  2. Je höher die Temperatur eines Gases, desto größer ist die mittlere Geschwindigkeit der Gasteilchen; höhere Temperatur bedeutet also höhere Frequenz der ausgesandten Strahlung.
  3. Durch Messung des elektromagnetischen Spektrums (Intensität des Lichts als Funktion der Frequenz) kann die Temperatur durch Vergleich mit dem Planck’schen Strahlungsspektrum bestimmt werden.